Wir Menschen haben schon sehr früh angefangen ein Spiel zu spielen. Das Spiel heisst Opfer oder Täter. Bereits als kleines Kind fing das Spiel an und wurde dann zum richtigen Training. Schliesslich funktioniert ja unsere gesamte Umwelt danach… so wolltest auch du dazugehören. Wie heisst es doch so schön: dabeisein ist (fast) alles.
Soweit so gut. Doch jetzt hast du ein Problem. Du hast vergessen, dass es ein Spiel ist und du hast auch vergessen, das Spiel zu beenden. Jetzt bist du erwachsen (mehr oder weniger…) und hast bereits so lange trainiert… dir fällt vielleicht gar nicht auf, dass du immer noch da drin steckst. Doch wir alle stecken noch drin, die einen mehr, die anderen weniger.
Was meine ich mit diesem Spiel?
Du hast dich irgendwann entschieden, welches deine Lieblingsrolle ist. Du kennst beide Rollen und beherrscht diese auch, dessen bin ich mir sicher. Der einzige Unterschied: entweder bist du lieber Opfer oder du bist lieber Täter. Du bist vielleicht lieber Opfer, aber in Wahrheit bist du der Täter oder umgekehrt. Oder du bist Täter und fühlst dich als Opfer usw. Du bemerkst das meistens gar nicht.
Die meisten Menschen tendieren dazu, in einer Opferrolle zu sein. Opfer hat so was schuldloses, so einen Hauch von gut oder sogar heilig. Zumindest ist das so in der „westlichen“ Welt.
Doch ist eine Opferstory besser als eine Täterstory? Eher nicht. Du siehst dich als Opfer, Opfer der Umstände, Opfer von anderen, Opfer einer unglücklichen Kindheit, Opfer von was auch immer. Du kannst in dieser Rolle wunderbar die Schuld auf andere schieben, auf andere schimpfen, sie verurteilen, die Verantwortung abschieben. Verantwortung?! Aber du bist doch Opfer… man hat ja dir was angetan! Die anderen sind schuld, dass es dir schlecht geht!
Doch genau das ist der springende Punkte: Niemand kann dir „schlechte“ Gefühle machen. Klar, es mag den Anschein haben, dass der Auslöser für deine Gefühle da draussen ist. Jemand verletzt dich, beschimpft dich, lacht dich aus, nimmt dich nicht ernst, sieht dich nicht wirklich, hört dir nicht zu, belügt dich, betrügt dich, gibt dir nicht, was dir zusteht usw.
Das passiert wirklich, du hast Recht. Doch wie du auf all das reagierst, ist allein deine Sache. Du hast jederzeit die Wahl, anders darüber zu denken oder zu fühlen. Wenn du dich als Opfer deiner Gefühle fühlst, dann machst du dir was vor. Deine Gefühle haben dann das Steuer in deinem Leben. Das machen wir alle, leider viel zu oft. Doch du hast die Wahl, damit aufzuhören. Jederzeit. Damit meine ich wirklich: jederzeit. Es ist wie so oft, eine Frage der Übung.
Nimm einfach von jetzt an immer öfters wahr, wenn du in Gefühlen steckst, die du nicht haben willst. Nimm wahr, wenn du dich als Opfer oder Täter fühlst. Wahrnehmung ist der erste Schritt. Beobachten, es einfach bemerken. Du brauchst noch gar nichts damit zu machen. Alleine die Erkenntnis, dass du wieder einmal in einer alten Rolle steckst, genügt. Mach es dir wirklich gänzlich bewusst. Du steckst in dieser Rolle.
Und dann?
Nun, wer die Erkenntnis hat, kann wählen. Denn nur Du kannst wählen. Du kannst wählen, das Steuer in die Hand zu nehmen.
Was willst du denn mit deiner Rolle überhaupt erreichen? Du versuchst, anderes etwas von dir mitzuteilen. Die Rolle des Opfers oder Täters ist dabei ein scheinbares Hilfsmittel. Du lebst in der Vorstellung, dass der/die andere(n) dich besser verstehen, wenn du in dieser Rolle bist. Ich frage dich hier: Schau in dein Leben: hat es funktioniert? Hast du wirklich das Gefühl, die anderen verstehen dich jetzt besser? Ich denke nein.
Ab einem gewissen Punkt wirst du nämlich feststellen, dass dieses Opfer – Täter spiel dich mittlerweilen enorm langweilt. Es bringt dir nicht, was du wirklich willst. Es gibt dir lediglich ein dumpfes Gefühl des Rechthabens. Klar, das kann schon sehr befriedigend sein, doch schau und fühl wirklich genau hin. Es wird dich nie wirklich glücklich machen.
Wirklich verstanden wirst du nur, wenn du auch ausdrückt, was wirklich los ist. Wenn du dabei merkst, dass du wieder in eine Rolle schlüpfst, mach einfach deinen Mund zu. Es mag anfangs unangenehm sein, weil du dich erst daran gewöhnen musst.
Dein Verstand wird dir Unmengen von Gründe nennen, warum du in deiner alten Rolle bleiben solltest. Dein Verstand will Recht haben. Um jeden Preis. Auch wenn der Preis deine Lebendigkeit ist. Du hast die Wahl, denn du bist nicht dein Verstand.
Ich wünsche Dir viel Erleichterung / Erleuchtung dabei!
bis bald,